Schon seit vielen Jahren beklagen Gesamtschullehrer trotz eines hohen pädagogischen und methodischen Einsatzes den unzulänglichen Lern- und Bildungserfolg vieler ihrer Schüler.
Der "Arbeitskreis Gesamtschule e.V." in Recklinghausen hat im Jahre 2006 mit einem Text unter dem Titel "Wir klagen an..." einige Minuspunkte der Gesamtschulpädagogik öffentlich gemacht.
Diesem Text habe ich wesentliche Aussagen, meist als wörtliche Zitate, entnommen und stelle sie im folgenden dar.
Der vollständige Text kann unter http://www.schulformdebatte.de, im Abschnitt "Archiv", gefunden werden.
"Wir klagen an..." "So durfte und so darf mit der Zukunft von Kindern, mit den Hoffnungen von Eltern und mit der Einsatzbereitschaft von uns Lehrern nicht umgegangen werden. Täglich sehen wir uns mit Erwartungen konfrontiert von denen vor mehr als 20 Jahren schon feststand, dass sie nicht zu erfüllen sind." "Tag für Tag stehen wir vor eben jenem Dilemma, das Jürgen Baumert und seine Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPIB) bereits 1986 beschrieben haben: die Unvereinbarkeit von 'Leistungsförderung und Leistungsausgleich' in den undifferenzierten Klassen von weiterführenden Schulen." "Baumert, Roeder, Sang und Schmitz hatten 1986 herausgefunden, dass erst ein Unterrichtsstil, dessen Wesensmerkmale 'ein hohes Anspruchsniveau und ein zügiges Fortschreiten im Stoff' sind, wirklich effektiv ist. Wir können aber an Gesamtschulen nicht 'auf hohem Anspruchsniveau' unterrichten, weil wir sonst die leistungsschwächeren Schüler überfordern und beschämen würden. Und wir kommen der lernschwächeren Schüler wegen nicht zu einem 'zügigen Fortschreiten im Stoff', zum Nachteil der leistungsstärkeren Schüler. Jener erfolgreiche Unterrichtsstil ist eben nur in relativ homogenen Lerngruppen zu praktizieren, aber nicht im undifferenzierten Unterricht an Gesamtschulen. Das gilt für die Hauptfächer ebenso wie für die Nebenfächer." Ein allzu großer Unterschied der Vorkenntnisse und der Begabungen zwinge die Lehrer zu verstärktem Üben und Wiederholen. Doch dieser repetitive Unterrichtsstil nütze wider Erwarten Schülern mit ungünstigen Eingangsvoraussetzungen nur wenig, während die Lernfortschritte der Schüler des oberen Leistungsdrittels merklich beeinträchtigt würden. "Wir bekommen viel Elend zu sehen, bei unseren Schülern und ehemaligen Schülern ebenso wie bei unseren Kolleginnen und Kollegen. Manche von ihnen sind zynisch oder depressiv geworden, weil an Gesamtschulen ja nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer unter das Niveau ihrer Möglichkeiten geraten." |
"Wir sind alle alleingelassen worden, Lehrer wie Schüler und Eltern (und sogar die Behörden). Aber wir wissen nicht, von wem, und wissen nicht, in welcher Absicht. Gelegentlich haben wir das Gefühl, dass da seltsame Kräfte am Werke sind, wenn wir zum Beispiel erleben müssen, wie gesamtschul-kritische Befunde der Bildungsforschung abgefangen und abgewiegelt (...) werden." "Die vielen Versetzungsgesuche frustrierter Kolleginnen und Kollegen und der die Gesamtschulen auszehrende Creaming-Effekt*) waren schon sehr früh unübersehbare Alarmzeichen. Noch schwerer wiegt: Die demoralisierende Situation der leistungsschwächeren Schüler im undifferenzierten Unterricht der Gesamtschulen, wie wir sie täglich erfahren, ist von den Behörden offenbar immer noch nicht wahrgenommen worden." *) Redaktionsnotiz: Creaming-Effekt (von Englisch 'to cream' = 'Rahm abschöpfen') bedeutet, dass man nur einem Teil der Menschen etwas zugute kommen lässt. "Es sollten ja eigentlich nur Schulversuche sein, die im Fall des Scheiterns abgebrochen werden würden. Aber das Experiment hatte sich verselbständigt. Es war in die Programme von Parteien und Verbänden geraten.""Seit mehr als 20 Jahren haben die Schüler von Gesamtschulen und wir Lehrerinnen und Lehrer immer wieder die Kosten für anderer Leute Lernprozesse und für die Spätfolgen ihrer Vorurteile zu tragen. So durfte und so darf mit der Zukunft der Kinder, mit den Hoffnungen von Eltern und der Einsatzbereitschaft von uns Lehrern nicht umgegangen werden. Dass unsere Schülerinnen und Schüler und wir Lehrerinnen und Lehrer von den verantwortlichen Leuten des Max-Planck-Institutes für Bildungsforschung in all den Jahren seines Bestehens nicht mit dem dazu erforderlichen Eifer und den vorhandenen starken Argumenten vor der Egalisierungswut fachfremder Ideologen, vor pädagogischen Irrlehren und vor unerfüllbaren Hoffnungen in Schutz genommen worden sind, ist ein Vorwurf, dem wir den Charakter der Anklage geben." "Dieser Text wurde von Mitgliedern des Arbeitskreises Gesamtschule e.V. erarbeitet(...)" "Im Namen und im Interesse vieler an Gesamtschulen unterrichtender Lehrerinnen und Lehrer
(gez. Dr. Hermann Richter) Juli 2006"
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