Christian Hillgruber
1. Gesamtschule steht für individuelle Förderung der Schüler nach ihrer Leistungsfähigkeit
Hier schneiden Sekundarschule und Hauptschule noch vergleichsweise am besten ab. Zwischen Gesamtschule und Gymnasium gibt es dagegen keine nennenswerten Unterschiede. 2. In Gesamtschulen gibt es Ganztagschulbetrieb und Hausaufgabenbetreuung. Auch dies ist kein Alleinstellungsmerkmal von Gesamtschulen. Alle Schulen können als Ganztagsschulen geführt werden, wenn die personellen, sächlichen und schulorganisatorischen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 9 Schulgesetz NRW). Der Schulträger kann mit Trägern der öffentlichen und der freien Jugendhilfe und anderen Einrichtungen, die Bildung und Erziehung fördern, eine weitergehende Zusammenarbeit vereinbaren, um außerunterrichtliche Angebote vorzuhalten (Offene Ganztagsschule). Soweit dies dem Elternwillen entspricht, kann von Halb- auf Ganztagsschulbetrieb umgestellt werden. Bis ins Jahr 2005 waren im Bereich der Sekundarstufe I fast alle nordrhein-westfälischen Ganztagsschulen Gesamtschulen (sog. gebundene Ganztagsschulen). Mit der Einführung des Abiturs nach 12 Jahren (G 8) scheint hier eine neue Entwicklung einzusetzen. Da Gymnasien den gleichen Stoff in kürzerer Zeit vermitteln sollen, erhöht sich die Wochenstundenzahl für die Schüler. Da man sich an den meisten Schulen dagegen aussprach, Kinder und Jugendliche täglich 7-stündig zu unterrichten, wurde vielerorts ein Ganztagsbetrieb eingeführt. Es steht daher zu erwarten, dass die Ganztagsbetreuung (mit Hausaufgabenbetreuung) bald kein Grund mehr für die Wahl der Gesamtschule statt einer anderen weiterführenden Schule, namentlich des Gymnasiums, mehr sein wird. Im Übrigen darf man sich über den Ganztagsschulbetrieb keine falschen Vorstellungen machen. Ganztagsschule bedeutet in der Regel lediglich, dass an drei von fünf Schultagen pro Woche der Schulbesuch um 16 Uhr endet (sog. Langtage). 3. Abitur an Gymnasium oder Gesamtschule ist gleichwertig. Dies ist nur insofern richtig, als auch auf der Gesamtschule das Abitur gemacht werden kann und damit die allgemeine Hochschulreife erworben wird. Die Qualität aber unterscheidet sich erheblich. Nationale wie internationale Leistungsvergleiche zwischen Gymnasiasten und Gesamtschülern, auch denen die dieSekundarstufe besuchen, haben dies hinlänglich belegt. Zuletzt hat die vom Schulministerium vorgelegte Bilanz für das Abitur 2013 ergeben, dass Schüler an Gymnasien in allen Fächern bessere Durchschnittsnoten erzielen als Absolventen an Gesamtschulen. Besonders eklatant sind die Leistungsunterschiede im Fach Mathematik. Das sog. Zentralabitur garantiert keine gleichen Bewertungsstandards. Es bedeutet lediglich, dass die Aufgaben für die schriftlichen Abiturleistungen in zwei Leistungskursen und einem Grundkurs zentral gestellt werden. Die Korrektur erfolgt jedoch getrennt nach Gymnasial- und Gesamtschülern. Erstkorrektur ist der jeweilige Kursleiter an der betreffenden Schule. Der Zweitkorrektur gehört demselben Schulzweig (!) an (Gesamtschule oder Gymnasium). Die Bewertung und der Leistungsvergleich erfolgt daher nur innerhalb der jeweiligen Schulform, nicht schulformübergreifend, d.h. Gesamtschüler müssen sich in ihren Leistungen nicht mit Gymnasiasten messen lassen und umgekehrt. Zudem ergeben sich zwei Drittel der Abiturnote bereits aus den Kursleistungen in den Jahrgangsstufen 11 und 12 bzw. 12 und 13, die an den jeweiligen Schulen und Schulformen erbracht werden. Gleiches gilt für die mündliche Prüfung im Abitur. Von Gleichwertigkeit kann daher ernsthaft keine Rede sein. 4. Bildungslaufbahn ohne Notwendigkeit des Schulwechsels Es ist richtig, dass man auf der Gesamtschule, sofern man das Abitur macht, von der 5. bis zur 13. Klasse verbleiben kann, während man von Real- oder Sekundarschule auf eine Gesamtschule oder ein Gymnasium nach der 10. Klasse wechseln muss. Ob dies ein gravierender Nachteil ist, muss jedoch bezweifelt werden. Der ggfs. erforderlich werdende Schulwechsel erfolgt in einem Alter, in dem Schüler dies in der Regel ohne weiteres verkraften; der Aufstieg in eine höhere Schule wirkt zudem leistungsmotivierend, und der bis dahin vertraute Klassenverband wird ab der Jahrgangsstufe 10 ohnehin aufgelöst und in der gymnasialen Oberstufe durch ein Kurssystem mit wechselnder Schülerzusammensetzung abgelöst. Einem Schulwechsel haftet unter diesen Bedingungen nichts Negatives an und ist in Rheinbach in unmittelbarer räumlicher Nähe zu bewerkstelligen. 5. Die Gesamtschule ermöglicht ein Abitur nach 9 Schuljahren, während die Rheinbacher Gymnasien nur G 8 anbieten. Tatsächlich macht man auf der Gesamtschule das Abitur erst nach 9 Jahren; die gymnasiale Oberstufe (Sekundarstufe II) beträgt aber bei beiden Schulformen drei Jahre (§ 18 Abs. 1 Schulgesetz NRW); sie beginnt bei G8 mit der 10. und endet mit der 12. Jahrgangsstufe. Auf der Gesamtschule fängt die Oberstufe mit der 11. Jahrgangsstufe an und endet mit der 13. Das Abitur nach 12 Jahren („G8“ genannt) wird zum Teil heftig kritisiert. Die Lernbelastung für die Schüler sei insbesondere in der Mittelstufe sehr hoch, weil die Lehrpläne nicht hinreichend angepasst worden seien, vielmehr der Lehrstoff in seinem bisherigen Umfang nun in kürzerer Zeit bewältigt werden müsse. Stress und Überforderung seien die Folge; umgekehrt kritisieren Lehrer zum Teil ein Absinken des Niveaus wegen Streichung von Lehrstoff. In Nordrhein-Westfalen konnten Gymnasien Ende 2010 beantragen, im Rahmen eines Schulversuchs wieder von acht auf neun Jahre umzusteigen. Den Antrag stellten bis zum Ende der Bewerbungsfrist (30. Dezember 2010) aber lediglich 13 (!) der 630 Gymnasien. Die Gymnasien selbst halten also G8 für durchaus machbar, und die Zahlen geben ihnen recht. Nach einer Hamburger Studie, die den ersten umfangreichen empirischen Leistungsvergleich zwischen G8 und G9 vorgenommen hat, erzielen G8-Abiturienten bessere Leistungen als frühere Absolventen des neunjährigen Gymnasiums. Und dies, obwohl inzwischen deutlich mehr junge Menschen eines Jahrgangs das Abitur machen, darunter ein gewachsener Anteil aus bildungsfernen Elternhäusern! Siehe http://www.sueddeutsche.de/bildung/studie-zum-g-turbo-abiturienten-schneiden-besser-ab-1.1534516 Die Ergebnisse des Zentralabiturs 2013 in NRW (siehe http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Presse/Pressemitteilungen/Archiv/LP16/PM_2013/pm_22_08_2013.html) sind ähnlich. Seit Einführung des Zentralabiturs 2007 schneiden die Schülerinnen und Schüler an Gymnasien um etwa eine Drittelnote besser ab als an Gesamtschulen. Die Durchschnittsnote der Gesamtschülerinnen und Gesamtschüler liegt bei 2,73. Demgegenüber erzielten Gymnasiastinnen und Gymnasiasten im Schnitt eine Note von 2,42. Die Nichtbestehensquote liegt in diesem Jahr bei insgesamt 2,85 Prozent und ist damit gegenüber dem Vorjahr (2,18 Prozent) leicht gestiegen. Die Durchfallquote an den Gymnasien liegt in diesem Jahr bei 2,42 Prozent, bei Gesamtschulen beträgt sie 7,21 Prozent (trotz G 9 und obligatorischem Ganztagsbetrieb!). Die Zahlen sprechen für sich; eine Erfolgsbilanz der Gesamtschule als vermeintlich sicherer Weg zum Abitur sieht anders aus. Da auch am Ende der Erprobungsstufe am Gymnasium die Übergänge zu anderen Schulformen (sog. „Abschulungen“) insgesamt rückläufig sind, d.h. fast alle Schüler auf dem Gymnasium erfolgreich ihr Abitur machen können, sofern sie dafür nur hinreichend geeignet sind, besteht für Rheinbach keine Notwendigkeit für eine dritte gymnasiale Oberstufe in Form eines Gesamtschule.
13.09.2013
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